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Bericht über das Chotieschauer Gemeinde-Gedenkbuch

Im August 2009 gelang es dank der Bemühungen von Friedebert Volk, eine DIN A3-Kopie des Chotiechauer Gemeindegedenkbuches zu erwerben.Das Original befindet sich im Archiv zu Blowitz, rund 30 km südlich von Pilsen.
Jede Gemeinde in der früheren CSR war durch ein Gesetz aus dem Jahre 1920 verpflichtet, ein Gemeindegedenkbuch zu führen. In Chotieschau übernahm diese Arbeit 1928 der Gemeindesekretär Adolf Hofmann. Er begann mit der Darstellung der frühesten Ortsgeschichte und führte das Buch fort bis zum Jahre 1937. Gerade für das letzte Jahrhundert enthält das Buch eine Reihe von bisher unbekannten Angaben. Wichtig sind auch Abschriften des Grundbuches und Hausbesitzertabellen seit dem Dreißigjährigen Kriege. Das Buch umfaßt 326 Seiten und wurde mit bewundernswerter Sorgfalt handschriftlich geführt!
Die Kopie war beim Chotieschauer Fest am 12./13.  September 2009  in Hersbruck zu besichtigen.
Hochinteressant sind die Aufzeichnungen aus den 30er Jahren, in denen detailliert über die damaligen Zustände in Chotieschau berichtet wird. So kann man erfahren, welche Not damals infolge der Weltwirtschaftskrise herrschte.Die Ergebnisse von Sammlungen und Spenden an Lebensmitteln und Geld für die Armen sind genau aufgelistet. Auch eine Schulspeisung für die Schulkinder gab es damals. Mit den heutigen Verhältnissen mit unseren sozialen Absicherungen ist es nicht zu vergleichen. Man bekommt beim Lesen eine Eindruck, unter welchen Verhältnissen unsere Eltern und Großeltern seinerzeit gelebt haben.
Auf dieser Seite sollen in Zukunft weitere Informationen folgen . Zunächst soll mit den folgenden Fotos ein erster Eindruck über das Werk gegeben werden.
 Gedbuch1  Gedbuch2  Gedbuch3
Deckblatt und Seiten-Ausschnitte aus dem Chotieschauer Gedenkbuch

S311
Als Beispiel die Seite 311 mit dem Jahr 1933



Notjahre in Chotieschau

In der früheren CSR war jede Gemeinde gesetzlich verpflichtet, ein Gemeindegedenkbuch zu führen. In Chotieschau wurde mit dieser Aufgabe der Gemeindesekretär Adolf Hofmann betraut. Das Buch wird heute im Staatsarchiv Blowitz, etwa 30 Kilometer südlich von Pilsen, aufbewahrt. Die Ortsvertretung der Gemeinde Chotieschau (mit Treffensort Hersbruck) hat kürzlich eine Kopie davon erworben. Während die Aufzeichnungen über die fernere Vergangenheit Chotieschaus kaum über das aus der Literatur Bekannte hinausgehen, enthält das Buch bemerkenswerte Einzelheiten über die letzten rund einhundert Jahre vor unserer Vertreibung. Von besonderer Eindringlichkeit sind dabei die Schilderungen der Not in den Jahren von 1930 bis 1938. Im Folgenden werden daraus Einzelheiten wiedergegeben:

Noch 1930 begnügt sich Adolf Hofmann in seinem Jahresbericht mit der Wiedergabe trockener Zahlenreihen aus der Gemeinderechnung. Einziger Höhepunkt in diesem Jahre scheint das Erscheinen des Luftschiffes Graf Zeppelin am 25. August gewesen zu sein. Erst 1931 widmete Hofmann der Arbeitslosigkeit in Chotieschau ein eigenes Kapitel. Man zählte 130 Arbeitslose, die sich mit vom Staat verteilten Lebensmittelgutscheinen (sog. Czech-Karten) über Wasser halten mußten. Ihr Wert betrug für Familienväter 20 Kc  pro Woche und für Ledige 10 Kc, was deutlich unter dem Existenzminimum lag. Jugendliche gingen meist ganz leer aus, da sie den Nachweis eines dreimonatigen Beschäftigungsverhältnisses in der Regel noch nicht führen konnten. Die Gemeinde nahm ein hohes Darlehen auf, um Notstandsarbeiten durchzuführen. Gebaut wurde die Kanalisation in der Straße vom Friedhof zum Masarykschacht. Außerdem wurde eine versumpfte Grubensenkung neben dem Sportplatz Schütting aufgefüllt, wo die Gemeinde später Obstbäume pflanzen wollte. Damit waren die Möglichkeiten der Gemeinde auf Jahre erschöpft.

Einen hohen Stellenwert hatte die über schulische „Milchaktion“, bei der Kinder Bedürftiger kostenlos je einen Becher Milch erhielten. Dabei wurden im Jahr meist über 4000 Liter Milch verteilt. In unregelmäßiger Folge gab es kleinere Zuwendungen (etwa zu Weihnachten) sowohl von staatlicher, als auch von privater Seite sowie von karitativen Verbänden. Vorbildlich war die Veranstaltung eines Zither-Wohltätigkeitskonzerts durch die beiden, allen Chotieschauern bekannten Musiklehrerinnen, Frau Huber und Frau Schichka. Der Reinerlös betrug 706 Kc und kam Bedürftigen zugute. Ab 1934 leistete die „Sudetendeutsche Volkshilfe“ (SVH) wertvollste Arbeit, indem sie die wohltätigen Maßnahmen aller sudetendeutschen Vereine koordinierte.

Adolf Hofmann legt besonders 1931 und 1932 seine Ansichten über die Ursachen der Not dar. Er macht die Überproduktion von Waren und überhaupt die „ganze Weltwirtschaft“ verantwortlich. Erst 1937 stellt er mit einer gewissen Verbitterung fest, daß „das Sudetendeutschtum nicht die Möglichkeit hat, an der Wirtschaftsbelebung im Staat“ gemäß seinem Bevölkerungsanteil teilzunehmen. Damit umschreibt er vorsichtig, was er zwanzig Jahre später im Heimatbrief Mies-Pilsen (1958, S. 21) offen geißelt. Der „Schlager jener Zeit“ sei gewesen: „Schicke Deine Kinder in die tschechische Schule und Du kannst morgen wieder in Arbeit kommen.“ Wenzel Jaksch beklagte zur gleichen Zeit die Verlagerung von Industriebetrieben ins Landesinnere und deren Bevorzugung bei Staatsaufträgen. Die Folge sei "ein prosperierendes Innerböhmen", dem namenlose Not in den Grenzgebieten gegenüber stünde (Europas Weg nach Potsdam, S. 270). Zu einem erheblichen Teil beruhte die Not daher auch in Chotieschau auf nationaler Diskriminierung.

Die Zahl der Chotieschauer Arbeitslosen pendelten in all den Jahren immer um die Marke von 120. Indirekt betroffen waren weitere rund 300 Familienangehörige. Nicht enthalten sind in dieser Rechnung die Jugendlichen und die sogenannten „Wechselurlauber“. Diese waren Bergarbeiter, die 1933 mit den Werksleitungen von Masaryk- und Jubiläumsschacht ein Rotationssystem ausgehandelt hatten, wonach stets ein Sechstel der Belegschaften für einen Monat pausierte, um Entlassungen zu vermeiden. Aufgeschlüsselt auf die beiden Schächte waren das 150 „Wechselurlauber“ am Masarykschacht und 200 am Jubiläumsschacht (bei einer Belegschaftsstärke von 781 bzw. 1.373). Für Chotieschau bedeutete diese Regelung rund 100 Arbeitslose zusätzlich.

Sorgenvolle Jahre erlebten ab 1935 auch die Landwirte. Fehlender Niederschlag führte einige Jahre hintereinander zu Mißernten, was wiederum die allgemeine Kaufkraft schmälerte.

So drückend sich die Not in der Industrieregion Chotieschau auch darstellte, war es in anderen Teilen des Sudetenlandes noch schlimmer. So hatte Chotieschau (neben Auherzen und Rothaujezd) eine Art Patenschaft über Trinkseifen im Erzgebirge übernommen und in bewundernswerter Solidarität mehrfach für diesen Ort Sach- und Geldspenden aufgebracht.

Die Stimmung unter der deutschen Bevölkerung litt ab 1937 besonders durch die Verschiebung der Gemeindewahlen. Viele Ortsbewohner sahen sich in keiner Weise mehr durch das 1931 gewählte Parlament vertreten, denn dort fehlte die Sudetendeutsche Partei, die es mittlerweile auch in Chotieschau gab und die 1935 bei den Wahlen zum Landesparlament in Prag mit 734 Stimmen (= 45,1 %) das mit Abstand beste Ergebnis von allen erreicht hatte.

Das Chotieschauer Gedenkbuch endet mit dem Jahre 1937. Es läßt aber die Triebkräfte für die Ereignisse des Jahres 1938 erkennen. Die zum Münchner Abkommen führenden Ereignisse trugen durchaus auch Züge einer Hungerevolte.

                                                                                                                                                                                                       Friedebert Volk